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Neue Worte

2022-2023
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Alte Fotos

(veröffentlicht in eXperimenta, 09/2023)

 

Wie jung wir waren

Wie neugierig wir uns ansahen

Wir sahen Dinge, die nicht da waren

Und das, was da war, übersahen

Wir

Damals

Als wir jünger waren

 

Wie weich dein Haar
Wie kräftig meine Schenkel waren

Wie schön du warst

Wie wenig schmerzerfahren
Als alles planbar schien
In einer linearen
Welt
Damals
In den Licht-und-Nebel-Jahren

 

Als wir noch nicht wir selbst

Und nicht mehr Kinder unsrer Eltern waren
Als wir noch dachten, weg zu fahren

Reiche
Um nicht zu werden, wie die andren waren
Damals, als alles klar und nichts von Dauer

War, der Himmel blau

Deine Augen blauer

 

Noch vor dem strengen Zug um deinen Mund
Vor meinem grauen Haar
Und Falten, die den Hals zergraben
Haben; wir als Paar
Bevor wir wurden, was wir später waren
Vor guten
Und erst recht vor schlechten Tagen


Auf raren 

Bildern dieser Zeit
Die Tote und Verschollene verwahren
Sind wir, die wir damals die Jüngsten waren
Die nie zur Seite, stets nach vorne starren
Für immer eingefroren
Im interstellaren
Raum
Von damals
Als wir uns fremd und trotzdem nahe waren.

Sechzehn - zwanzig
(veröffentlicht in Signaturen, 11/2023)


Ach wäre ich nur wieder sechzehn

Dann würd ich noch bei meinen Eltern wohnen

In meinem Kinder- Schrägstrich Durchgangszimmer

Dann stünden meine Türen immer offen

Damit meine Geschwister nie allein sind

Und meine Eltern mich belehren können

Und alle Nachbarn, Gäste und Verwandte

Als Polonaise durchmarschieren können

Um mich auf meine Schwächen hinzuweisen

Um ungebeten Ratschlag zu erteilen

Mir meinen Egoismus vorzuwerfen

Und ab und zu in Tränen auszubrechen

 

Ach wäre ich nur wieder achtzehn

Dann würd ich wieder Rockstars daten

Die ihre Runden Querstrich Tüten drehen

Mann, würden sie verwegen aussehen

Mit ihren langen ungepflegten Haaren

Und alle Mädchen würden mich beneiden

Wenn ich den Kerl von A nach B kutschiere

Den Kofferraum voll mit seinem Krempel

Er würde noch bei seinen Eltern wohnen

Oder bei Freunden auf dem Sofa pennen

Und alle Türen würden offenstehen

Damit er nie mit sich alleine ist

 

Wär ich schon wieder, Gott bewahre, zwanzig

Dann müsste ich mich wieder neu erfinden

Ich würde mir erklären lassen müssen

Was meine Fehler Schrägstrich Mängel seien

Mit falschen Schlangen würd ich Kaffee trinken

Mit Blendern würd ich meine Zeit vergeuden

Und mich zu Dingen überreden lassen

Die dann im besten Fall zu gar nichts führen

Ich würde ewig auf der Stelle treten

Bis ich das Wollknäuel werfen wollen würde

Und bis am Ende dieses Labyrinths

Ein schwaches Licht erscheint –               

also bis heute.

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